Beschwerdebrief an die Griechen vom Stern
Verfasst: Di 4. Mai 2010, 08:17
Finde ich nicht schlecht!
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Ein Beschwerdebrief von Stern-Autor WALTER WÜLLENWEBER
"Liebe Griechen!
Kennt Ihr das bei Euch auch, eine Tante, die einem die ganze Kindheit und
Jugend hindurch das Sparschwein füttert? Beim ersten Fahrrad, dem ersten
Radio, der ersten Urlaubsreise - immer gibt sie ein paar Scheine dazu. Und
dafür verlangt sie nichts weiter
als ab und zu mal ein freundliches Dankeschön. Liebe Freunde, dies ist ein
Brief von Eurer
Geldtante. Keine Angst, Ihr müsst nicht Danke sagen. Das Einzige, was wir
uns wünschen, ist: Versetzt Euch mal in unsere Lage.
Seit 1981, seit 29 Jahren, gehören wir zur selben Familie, zur EU. Kein
anderes Familienmitglied hat in dieser Zeit so viel Geld in die
Gemeinschaftskasse gesteckt wie wir, nämlich netto rund 200 Milliarden
Euro.
Und pro Nase hat kaum einer so viel bekommen wie Ihr, zusammen netto fast
100 Milliarden. Rund die Hälfte also von dem, was wir in den EUTopf
gekippt haben, habt Ihr mit großer Kelle abgeschöpft. Oder anders ausgedrückt:
Rein rechnerisch haben wir Deutschen mit den Jahren jedem von Euch Griechen,
vom Säugling bis zum Greis, über 9000 Euro geschenkt. Einfach so. War doch
nett, oder?
Freiwillig hat wohl noch nie ein Volk ein anderes über einen so langen
Zeitraum so großzügig unterstützt Ihr seid fürwahr unsere teuersten Freunde.
Wie es uns dabei ging, in all den Jahren, das habt Ihr nie gefragt. Ich
vermute, auch heute brennt Ihr nicht gerade darauf, etwas über unsere
Sorgen zu erfahren. Ich erzähle es Euch
trotzdem: Unsere Straßen sind so löchrig wie antike Bauwerke, weil uns das
Geld für die Instandhaltung fehlt. Bibliotheken und Schwimmbäder werden
geschlossen.
Manche Städte schalten nachts jede zweite Straßenlaterne aus, weil sie die
Stromrechnung nicht bezahlen können. Im Gegensatz zu Euren steigen unsere
Löhne seit der Einführung des Euros praktisch gar nicht mehr. Und jetzt
sollen wir auch noch Euch Griechen retten. Die Sorgen um Euch, die haben
uns gerade noch gefehlt.
Ihr habt Euch unser Misstrauen redlich verdient: Im Sommer fackelt Ihr
regelmäßig dieses schöneLand ab, das Gott Euch geschenkt hat Und dann ruft Ihr
nach unserer Feuerwehr, weil Ihr es nicht allein gelöscht kriegt. Ihr
wollt alle in den öffentlichen Dienst, aber keiner will Steuern zahlen. Wenn
auch nur ein Teil der Berichte stimmt, die wir in den vergangenen Wochen lesen
mussten, dann seid Ihr offenbar nur bereit zu arbeiten, wenn Ihr dafür
Schmiergeld bekommt. Vor allem Eure Ärzte und das Krankenhauspersonal
langen kräftig zu. Ihr betrügt Euch also gegenseitig, wo Ihr nur könnt. Das kann
uns egal sein. Doch Ihr betrügt auch uns. Seit vielen Jahren. Das ist uns
nicht egal.
Ihr kassiert für mehr Olivenbäume EU-Subventionen, als in EuerLand passen.
Offenbar versteht Ihr doch was von Buchführung, denn um die
Stabilitätskriterien für den Euro zu erfüllen, habt Ihr Eure Bücher so
systematisch und geschickt gefälscht, dass die Brüsseler nichts gemerkt
haben. In Wahrheit habt Ihr den Euro nie verdient. Trotz Eurer
erschwindelten Daten ist es Euch seit der Einführung des Euro noch nie
gelungen, die Stabilitätskriterien zu erfüllen. Um Eure Wirtschaft größer
erscheinen zu lassen, habt Ihr Euch 2006 einen hübschen
Taschenspielertrick einfallen lassen und kurzerhand die Erlöse aus Geldwäsche,
Rauschgifthandel und Schmuggel in die jährliche Wirtschaftsleistung Eurer stolzen Nation
angerechnet.
Über Jahrzehnte mehr Geld ausgeben, als man sich erarbeitet, wie
selbstverständlich auf Kosten von anderen zu leben, laufend betrügen und
tricksen - das kann nicht ewig gut gehen. Irgendwann bricht das Kartenhaus
zusammen. Irgendwann ist jetzt. Streng genommen seid Ihr pleite.
Macht Euch keine Illusionen. Wenn Angela Merkel verspricht, "Griechenland
wird nicht allein gelassen", dann geht es unserer Kanzlerin und uns
Deutschen nicht mehr um Euch Griechen. Unsere Sorge gilt allein unserer
eigenen Zukunft Das Unglück ist nur: Wir sind an Euch gekettet.
Wenn Ihr untergeht, zieht Ihr uns mit unter Wasser. Zum Beispiel durch die
300 Milliarden Schulden, die Ihr mit den Jahren aufgetürmt habt. Rund 30 Milliarden davon gehören
den Sparern bei deutschen Banken, in Form von Staatsanleihen. Ob Ihr das jemals zurückzahlen werdet?
Euretwegen geht der Euro in die Knie.
Uns droht die Inflation. Das bedeutet: was deutsche Sparer auf dem
Sparbuch oder in Lebensversicherungen für die Zukunft zurückgelegt haben, wird
immer weniger wert. Wegen Euch. Solche Gedanken sind Euch natürlich fremd, denn
sparen oder investieren ist nicht Euer Ding. Ihr haut die Euros lieber
raus.
In der EU seid Ihr Griechen d as Volk, das von seinem Geld den größten
Anteil für den Konsum verprasst.
Die Regierungschefs der EU haben zwar beschlossen, dass Ihr keine direkten
Finanzhilfen bekommen sollt.
Erst mal. Doch Ihr braucht Hilfe. Und in der EU bedeutet Hilfe am Ende
immer Geld, genauer: unser Geld.
So langsam wird uns Deutschen klar: Zuerst mussten wir die Banken retten,
jetzt müssen wir Euch Griechen retten und schließlich alle Länder mit
einer Schweinewirtschaft -die "PIIGS", Portugal, Italien, Irland, Grieche land,
Spanien. Ein Staatsbankrott eines dieser Länder, darin sind sich die
Experten ausnahmsweise einig, wäre eine Tragödie, die selbst die
Bankenkrise wie ein Lustspiel erscheinen ließe.
Kluge deutsche Staatsrechtler haben schon vor der Einführung des Euro
gewarnt: Die Wirtschaftsunion kann
ohne die politische Union nicht funktionieren. Sie hatten recht. Jetzt
erkennen wir das dramatische Demokratie-Defizit.
Wir Deutschen sind von den Entscheidungen der Regierung Griechenlands
abhängig. Aber wir können sie nicht wählen. Ihr Griechen könnt sie wählen, aber Ihr habt ganz andere
Interessen. Wir wollen, dass Euer Ministerpräsident Georgios Papandreou
sein Sparprogramm durchzieht. Mindestens. Besser wär's, wenn er beim
Reformieren noch einen Zahn zulegte.
Aber Ihr wollt das ganz offensichtlich nicht.
Ihr macht, was Ihr immer macht: Ihr streikt. Letzte Woche der öffentliche
Dienst, nächste Woche alle, Generalstreik.
Liebe, teure Griechen, wenn Ihr nächste Woche auf die Straße geht, dann
streikt, dann demonstriert, dann protestiert Ihr nicht gegen Eure
Regierung, sondern gegen uns. Dem Zorro, der Euch stets gerettet hat und weiter retten soll, dem versetzt
Ihr einen Tritt zwischen die Knie. Liebe
griechische Finanzbeamte, geht nächste Woche bitte nicht streiken, sondern
treibt endlich mal die Steuern Eurer Millionäre ein, von denen Ihr bislang fürs Wegschauen so fürstlich
entlohnt werdet.
Liebe griechische Ärzte, geht nächste Woche bitte nicht streiken, sondern
behandelt Eure Patienten.
Von jetzt an, ohne vorher um einen Geldumschlag zu bitten. Und dann
versteuert einfach Euer Einkommen.
Ja, dann könnt Ihr Euch den nächsten Porsche erst ein Jahr später
bestellen. Ihr werdet es überleben.
Liebe Rentner Griechenlands, wenn bei uns jemand sein ganzes Leben lang
gearbeitet hat, bekommt er nicht mal 40 Prozent seines durchschnittlichen Einkommens als Rente. Damit sind
wir auf dem viertletzten Platz der OECD-Länder. Und wer ist auf Platz eins? Richtig: Ihr. Über 95 Prozent
Eures durchschnittlichen Einkommens gönnt Ihr Euch als Rente. Um das hinzukriegen, greift Ihr wieder in die
Trickkiste: Ihr bezieht einfach die Rentenhöhe nicht aufs ganze Leben, sondern nur auf die letzten drei bis
fünf Arbeitsjahre. Darum ist es bei Euch üblich, dass der Arbeitgeber den Lohn am
Ende noch mal kräftig erhöht Von dem Geld, mit dem wir Euch fast 30 Jahre lang gesponsert haben, gönnt Ihr Euch eine komfortablere
Altersversorgung, als wir uns leisten können.
Findet Ihr das gerecht? Also, liebe Rentner in Griechenland: Ihr seid die Generation, die diese Misere verursacht hat.
Jetzt haltet mal die Füße still, geht nicht demonstrieren, und lasst Eure Regierung die Sparpläne durchziehen.
Und, liebe Bürger Griechenlands, redet Euch nicht damit heraus, Eure Politiker seien allein schuld an der Katastrophe.
Ihr habt doch die Demokratie erfunden und solltet wissen, dass Ihr, das Volk, regiert und damit verantwortlich seid.
Niemand zwingt Euch, Steuern zu hinterziehen, Schmiergelder anzunehmen, gegen jede vernünftige Politik zu streiken und korrupte Politiker zu
wählen.
Politiker sind Populisten. Die machen genau, was Ihr wollt.Sicher werdet Ihr jetzt einwenden:
Ihr Deutschen, Ihr seid doch auch nicht viel besser. Stimmt. Ein Rentensystem, dem kaum einer noch traut, Beamtenpensionen, von denen
niemand weiß, wie sie in der Zukunft bezahlt werden sollen, ein Steuersystem, das so aussieht, als hätten erfahrene Hinterzieher es sich ausgedacht, und vor allem ein Schuldenberg, der irgendwann ins Rutschen gerät und alles unter sich begräbt -genau diese Probleme haben wir auch.
Und Ihr seid uns auf diesem Pfad der Untugend nicht so weit voraus, wie viele glauben. Früher habt Ihr Griechen uns den Weg gewiesen, habt der
Welt die Demokratie,die Philosophie und das erste Verständnis für Nationalökonomie beigebracht.
Jetzt weist Ihr uns wieder den Weg. Nur ist es diesmal der Irrweg. Da, wo Ihr seid, geht's nicht weiter.
Herzliche Grüße,
Walter Wüllenweber
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Ein Beschwerdebrief von Stern-Autor WALTER WÜLLENWEBER
"Liebe Griechen!
Kennt Ihr das bei Euch auch, eine Tante, die einem die ganze Kindheit und
Jugend hindurch das Sparschwein füttert? Beim ersten Fahrrad, dem ersten
Radio, der ersten Urlaubsreise - immer gibt sie ein paar Scheine dazu. Und
dafür verlangt sie nichts weiter
als ab und zu mal ein freundliches Dankeschön. Liebe Freunde, dies ist ein
Brief von Eurer
Geldtante. Keine Angst, Ihr müsst nicht Danke sagen. Das Einzige, was wir
uns wünschen, ist: Versetzt Euch mal in unsere Lage.
Seit 1981, seit 29 Jahren, gehören wir zur selben Familie, zur EU. Kein
anderes Familienmitglied hat in dieser Zeit so viel Geld in die
Gemeinschaftskasse gesteckt wie wir, nämlich netto rund 200 Milliarden
Euro.
Und pro Nase hat kaum einer so viel bekommen wie Ihr, zusammen netto fast
100 Milliarden. Rund die Hälfte also von dem, was wir in den EUTopf
gekippt haben, habt Ihr mit großer Kelle abgeschöpft. Oder anders ausgedrückt:
Rein rechnerisch haben wir Deutschen mit den Jahren jedem von Euch Griechen,
vom Säugling bis zum Greis, über 9000 Euro geschenkt. Einfach so. War doch
nett, oder?
Freiwillig hat wohl noch nie ein Volk ein anderes über einen so langen
Zeitraum so großzügig unterstützt Ihr seid fürwahr unsere teuersten Freunde.
Wie es uns dabei ging, in all den Jahren, das habt Ihr nie gefragt. Ich
vermute, auch heute brennt Ihr nicht gerade darauf, etwas über unsere
Sorgen zu erfahren. Ich erzähle es Euch
trotzdem: Unsere Straßen sind so löchrig wie antike Bauwerke, weil uns das
Geld für die Instandhaltung fehlt. Bibliotheken und Schwimmbäder werden
geschlossen.
Manche Städte schalten nachts jede zweite Straßenlaterne aus, weil sie die
Stromrechnung nicht bezahlen können. Im Gegensatz zu Euren steigen unsere
Löhne seit der Einführung des Euros praktisch gar nicht mehr. Und jetzt
sollen wir auch noch Euch Griechen retten. Die Sorgen um Euch, die haben
uns gerade noch gefehlt.
Ihr habt Euch unser Misstrauen redlich verdient: Im Sommer fackelt Ihr
regelmäßig dieses schöneLand ab, das Gott Euch geschenkt hat Und dann ruft Ihr
nach unserer Feuerwehr, weil Ihr es nicht allein gelöscht kriegt. Ihr
wollt alle in den öffentlichen Dienst, aber keiner will Steuern zahlen. Wenn
auch nur ein Teil der Berichte stimmt, die wir in den vergangenen Wochen lesen
mussten, dann seid Ihr offenbar nur bereit zu arbeiten, wenn Ihr dafür
Schmiergeld bekommt. Vor allem Eure Ärzte und das Krankenhauspersonal
langen kräftig zu. Ihr betrügt Euch also gegenseitig, wo Ihr nur könnt. Das kann
uns egal sein. Doch Ihr betrügt auch uns. Seit vielen Jahren. Das ist uns
nicht egal.
Ihr kassiert für mehr Olivenbäume EU-Subventionen, als in EuerLand passen.
Offenbar versteht Ihr doch was von Buchführung, denn um die
Stabilitätskriterien für den Euro zu erfüllen, habt Ihr Eure Bücher so
systematisch und geschickt gefälscht, dass die Brüsseler nichts gemerkt
haben. In Wahrheit habt Ihr den Euro nie verdient. Trotz Eurer
erschwindelten Daten ist es Euch seit der Einführung des Euro noch nie
gelungen, die Stabilitätskriterien zu erfüllen. Um Eure Wirtschaft größer
erscheinen zu lassen, habt Ihr Euch 2006 einen hübschen
Taschenspielertrick einfallen lassen und kurzerhand die Erlöse aus Geldwäsche,
Rauschgifthandel und Schmuggel in die jährliche Wirtschaftsleistung Eurer stolzen Nation
angerechnet.
Über Jahrzehnte mehr Geld ausgeben, als man sich erarbeitet, wie
selbstverständlich auf Kosten von anderen zu leben, laufend betrügen und
tricksen - das kann nicht ewig gut gehen. Irgendwann bricht das Kartenhaus
zusammen. Irgendwann ist jetzt. Streng genommen seid Ihr pleite.
Macht Euch keine Illusionen. Wenn Angela Merkel verspricht, "Griechenland
wird nicht allein gelassen", dann geht es unserer Kanzlerin und uns
Deutschen nicht mehr um Euch Griechen. Unsere Sorge gilt allein unserer
eigenen Zukunft Das Unglück ist nur: Wir sind an Euch gekettet.
Wenn Ihr untergeht, zieht Ihr uns mit unter Wasser. Zum Beispiel durch die
300 Milliarden Schulden, die Ihr mit den Jahren aufgetürmt habt. Rund 30 Milliarden davon gehören
den Sparern bei deutschen Banken, in Form von Staatsanleihen. Ob Ihr das jemals zurückzahlen werdet?
Euretwegen geht der Euro in die Knie.
Uns droht die Inflation. Das bedeutet: was deutsche Sparer auf dem
Sparbuch oder in Lebensversicherungen für die Zukunft zurückgelegt haben, wird
immer weniger wert. Wegen Euch. Solche Gedanken sind Euch natürlich fremd, denn
sparen oder investieren ist nicht Euer Ding. Ihr haut die Euros lieber
raus.
In der EU seid Ihr Griechen d as Volk, das von seinem Geld den größten
Anteil für den Konsum verprasst.
Die Regierungschefs der EU haben zwar beschlossen, dass Ihr keine direkten
Finanzhilfen bekommen sollt.
Erst mal. Doch Ihr braucht Hilfe. Und in der EU bedeutet Hilfe am Ende
immer Geld, genauer: unser Geld.
So langsam wird uns Deutschen klar: Zuerst mussten wir die Banken retten,
jetzt müssen wir Euch Griechen retten und schließlich alle Länder mit
einer Schweinewirtschaft -die "PIIGS", Portugal, Italien, Irland, Grieche land,
Spanien. Ein Staatsbankrott eines dieser Länder, darin sind sich die
Experten ausnahmsweise einig, wäre eine Tragödie, die selbst die
Bankenkrise wie ein Lustspiel erscheinen ließe.
Kluge deutsche Staatsrechtler haben schon vor der Einführung des Euro
gewarnt: Die Wirtschaftsunion kann
ohne die politische Union nicht funktionieren. Sie hatten recht. Jetzt
erkennen wir das dramatische Demokratie-Defizit.
Wir Deutschen sind von den Entscheidungen der Regierung Griechenlands
abhängig. Aber wir können sie nicht wählen. Ihr Griechen könnt sie wählen, aber Ihr habt ganz andere
Interessen. Wir wollen, dass Euer Ministerpräsident Georgios Papandreou
sein Sparprogramm durchzieht. Mindestens. Besser wär's, wenn er beim
Reformieren noch einen Zahn zulegte.
Aber Ihr wollt das ganz offensichtlich nicht.
Ihr macht, was Ihr immer macht: Ihr streikt. Letzte Woche der öffentliche
Dienst, nächste Woche alle, Generalstreik.
Liebe, teure Griechen, wenn Ihr nächste Woche auf die Straße geht, dann
streikt, dann demonstriert, dann protestiert Ihr nicht gegen Eure
Regierung, sondern gegen uns. Dem Zorro, der Euch stets gerettet hat und weiter retten soll, dem versetzt
Ihr einen Tritt zwischen die Knie. Liebe
griechische Finanzbeamte, geht nächste Woche bitte nicht streiken, sondern
treibt endlich mal die Steuern Eurer Millionäre ein, von denen Ihr bislang fürs Wegschauen so fürstlich
entlohnt werdet.
Liebe griechische Ärzte, geht nächste Woche bitte nicht streiken, sondern
behandelt Eure Patienten.
Von jetzt an, ohne vorher um einen Geldumschlag zu bitten. Und dann
versteuert einfach Euer Einkommen.
Ja, dann könnt Ihr Euch den nächsten Porsche erst ein Jahr später
bestellen. Ihr werdet es überleben.
Liebe Rentner Griechenlands, wenn bei uns jemand sein ganzes Leben lang
gearbeitet hat, bekommt er nicht mal 40 Prozent seines durchschnittlichen Einkommens als Rente. Damit sind
wir auf dem viertletzten Platz der OECD-Länder. Und wer ist auf Platz eins? Richtig: Ihr. Über 95 Prozent
Eures durchschnittlichen Einkommens gönnt Ihr Euch als Rente. Um das hinzukriegen, greift Ihr wieder in die
Trickkiste: Ihr bezieht einfach die Rentenhöhe nicht aufs ganze Leben, sondern nur auf die letzten drei bis
fünf Arbeitsjahre. Darum ist es bei Euch üblich, dass der Arbeitgeber den Lohn am
Ende noch mal kräftig erhöht Von dem Geld, mit dem wir Euch fast 30 Jahre lang gesponsert haben, gönnt Ihr Euch eine komfortablere
Altersversorgung, als wir uns leisten können.
Findet Ihr das gerecht? Also, liebe Rentner in Griechenland: Ihr seid die Generation, die diese Misere verursacht hat.
Jetzt haltet mal die Füße still, geht nicht demonstrieren, und lasst Eure Regierung die Sparpläne durchziehen.
Und, liebe Bürger Griechenlands, redet Euch nicht damit heraus, Eure Politiker seien allein schuld an der Katastrophe.
Ihr habt doch die Demokratie erfunden und solltet wissen, dass Ihr, das Volk, regiert und damit verantwortlich seid.
Niemand zwingt Euch, Steuern zu hinterziehen, Schmiergelder anzunehmen, gegen jede vernünftige Politik zu streiken und korrupte Politiker zu
wählen.
Politiker sind Populisten. Die machen genau, was Ihr wollt.Sicher werdet Ihr jetzt einwenden:
Ihr Deutschen, Ihr seid doch auch nicht viel besser. Stimmt. Ein Rentensystem, dem kaum einer noch traut, Beamtenpensionen, von denen
niemand weiß, wie sie in der Zukunft bezahlt werden sollen, ein Steuersystem, das so aussieht, als hätten erfahrene Hinterzieher es sich ausgedacht, und vor allem ein Schuldenberg, der irgendwann ins Rutschen gerät und alles unter sich begräbt -genau diese Probleme haben wir auch.
Und Ihr seid uns auf diesem Pfad der Untugend nicht so weit voraus, wie viele glauben. Früher habt Ihr Griechen uns den Weg gewiesen, habt der
Welt die Demokratie,die Philosophie und das erste Verständnis für Nationalökonomie beigebracht.
Jetzt weist Ihr uns wieder den Weg. Nur ist es diesmal der Irrweg. Da, wo Ihr seid, geht's nicht weiter.
Herzliche Grüße,
Walter Wüllenweber