Sehr schade, dass so ein scirocconahes Thema in diesem Forum "zwischen Bohnerwachs und grünem Hering" im Talk behandelt werden muss!!
Martin
Auszug aus 2 von etlichen Beiträgen in der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 9.4.2009, 4 Seiten weiterer Text siehe hier (erfahrungsgemäss nur wenige Tage im Netz):
http://www.neue-oz.de > Karmann als Stichwort eingeben.
Moderne Technik als Problem Von Gerhard Placke
Osnabrück.
Den sogenannten Auftragsfertigern in Europa brechen seit Jahren die Aufträge weg. Nicht nur Karmann ist betroffen. Viel eher oder noch schlimmer hat es in den letzten zwei Jahren Karmann-Konkurrenten getroffen, und weitere Abstürze sind vorhersehbar.
Der Fortschritt in der Produktionstechnologie trifft Karmann und seine Konkurrenten hart. Wo früher Spezialisten gefordert waren, etwa um ein in vielen Blechteilen von einer Limousine unterschiedliches Cabriolet fachgerecht zusammenzubauen, reicht im Zeitalter der Roboter eine Programmierung der Maschinen. Vom selben Fließband laufen heutzutage die unterschiedlichsten Autotypen direkt nacheinander: erst eine Limousine, dann ein Coupé, gefolgt von einem Van, einem Cabriolet, einem Kombi . . . – kein Problem für moderne Technik. Und weil diese Flexibilität in modernen Autowerken überall vorhanden ist und immense Kosten spart, produzieren die Autohersteller mehr und mehr ihre Spezialaufbauten selbst – zum Leidwesen der Auftragsfertiger.
Bertone und Pininfarina in Italien, Heuliez in Frankreich – bekannte Namen, die schon Monate vor der Finanzkrise in großen Schwierigkeiten waren und immer noch sind. Valmet in Finnland verliert in absehbarer Zeit seinen jetzt noch einzigen Auftrag, die Fertigung des Porsche Boxster. Diesen und alle weiteren Aufträge in der Branche hat in den letzten Jahren Magna Steyr in Graz bekommen. Die Kapazität der Österreicher, bis zu 200 000 Autos pro Jahr, ist doppelt so hoch wie die theoretische Kapazität der Osnabrücker Autoschmiede Karmann. Die Qualität der Produkte aus Graz ist unbestritten, wie Qualität in der Branche überhauptvorausgesetzt wird. Mit dem kanadischen Magna-Konzern im Hintergrund können die Österreicher aber einfach bessere Preise machen. (...)
Bonbons aus Osnabrück
gp Osnabrück.
Die Bonbons vieler Fahrzeughersteller kamen in den letzten Jahrzehnten aus Osnabrück: Den Namen Karmann trug seit 1955 der Karmann Ghia in die Welt, der mit robuster VW-Technik unter seinem schicken Blechkleid Hunderttausende von Kunden mit Eleganz und Zuverlässigkeit begeisterte. Schon vorher war Wilhelm Karmann der Coup gelungen, VW-Chef Nordhoff von der Idee eines serienmäßig hergestellten Cabriolets auf Käfer-Basis zu überzeugen. (...)
Diese Autos waren für Karmann und seinen Aufschwung in den Fünfziger- und Sechzigerjahren entscheidend – hiermit wurde Geld verdient, konnten die hochmodernen Werksanlagen im Stadtteil Fledder hochgezogen werden. Später kamen dann die VW-Erfolgsmodelle Scirocco und Corrado und vor allem das Golf-Cabriolet dazu.
Aber nicht nur für die Wolfsburger lieferte und liefert Karmann die Sahnestücke. Erinnert sei an das DKW-Sonderklasse-Cabriolet, das für horrendes Geld zwei- und viersitzig in den Fünfzigerjahren aus den Werkshallen rollte. Die langjährige Zusammenarbeit mit dem Hause Daimler bzw. Mercedes besteht bis heute. Das aktuelle Mercedes-CLK-Cabriolet läuft nach der bisherigen Planung noch einige Wochen von den Fließbändern der Karmänner, dann ist Schluss mit der Autoproduktion in Osnabrück.
Die Top-Modelle von BMW wie die Coupés 2000 CS und der Nachfolger 2800 CS kamen zum überwiegenden Teil aus dem Zweigwerk Rheine in Nordrhein-Westfalen, von wo aus in den Achtziger- und Neunzigerjahren auch Ford-Escort-Cabriolets den Weg zum Kunden fanden. In Rheine wurde die Auto-Komplettproduktion vor wenigen Wochen mit dem letzten Audi-A4-Cabrio eingestellt. Dort wird aktuell noch die Stahl-Klappdach-Einheit für das Renault-Megane-Cabriolet produziert.
Schon seit Jahrzehnten bietet das Haus Karmann seinen Kunden aus der Branche nicht nur eine Autoproduktion an. Vom ersten Feder- bzw. Computerstrich der Konstruktion über den Werkzeug- und Betriebsmittelbau bis zur fertigen Verdeckeinheit– Karmann liefert alles. Außerdem kommen vieleKarosserie-Rohbauten aus Osnabrück.
Und die Osnabrücker haben sichauch einen hervorragenden Ruf beim Bau von Prototypenerworben. Seitdem für Tests und allgemeine Zulassungen Dutzende von Vorserienfahrzeugen gebraucht werden, stehen die Spezialistenmit ihrer Ingenieurs- und Handwerkskunst bereit. Und für die großen Kunden der Autobranche ist auch eines wichtig: die Verschwiegenheit der Osnabrücker, die Geheimnisse für sich behalten können . . .